Was der Anstand gebietet

Ich möchte an dieser Stelle nicht als Besserwisser auftreten oder maßregeln. Im folgenden geht es nur darum, Mißverständnisse zu vermeiden, die einen lange geplanten Nepalurlaub vergällen können und am Ende dazu führen, daß spätere Besucher anders behandelt werden, als man es ihnen wünscht.

Sicher ist es nicht so, daß indigene Bevölkerungsgruppen (wie auch die „Indianer und Indios“ in Amerika) tiefere Einblicke in die Zusammenhänge des Lebens und der Welt haben und daher als Vorbilder für uns gestreßte Bewohner der „ersten Welt“ dienen sollten. Manche Esoteriker wollen uns das zwar gerne glauben machen, aber da dürfte Gewinnstreben der Herr des Gedankens sein.

Jedoch haben diese Bevölkerungen Würde, pflegen lange Traditionen und führen ein Leben nach eigenen Regeln und Gesetzen. Auch die Nepali verfügen über uralte Traditionen die im Hinduismus und Buddhismus gründen und den Menschen ein sinnerfülltes Zusammenleben ermöglichen.

Abgesehen davon, daß Bergtouristen, ökologische Probleme verursachen können, weil sie Substanzen und Gegenstände im Land lassen, die nicht auf natürlichem Weg entsorgt werden können, bringen sie häufig weit mehr als Unrat in diesen Teil der Welt. Schlimmer noch als Müll ist die kulturelle „Verschmutzung“, die hereingetragen wird. Hier ein kleines Beispiel: Sicher ist es so, daß manche asiatischen Regierungen den Menschenrechten anders gegenüber stehen als wir, aber das berechtigt uns nicht, diese Haltungen bei einem Besuch zu kritisieren. Dazu haben wir kein Recht Schließlich sind wir Gäste und im übrigen ist es noch nicht lange her, daß gerade bei uns die Rechte anderer mit Füßen getreten wurden…

Ein Besucher aus einem hochtechnisierten und industriellen Land wird hier immer ein Fremdkörper sein, als solcher empfunden werden und ist daher nur geduldeter, wenn auch zahlender Gast. Geld kann und darf uns aber keine ungehörigen Freiräume erkaufen! Es darf nicht den Respekt vor der Würde und Integrität einer fremden Kultur ersetzen. Denn warum besuchen wir denn in diese Länder? Sicher nicht, um dort das vorzufinden, was wir eigentlich für eine Weile vergessen wollten! Damit es so bleibt und unsere Anwesenheit nicht als lästig, störend oder nur als notwendiges Übel empfunden wird, gebietet der gesunde Menschenverstand die Beachtung einiger Regeln, die wir im folgenden listen möchten.

Allgemeines

Nepal ist ein Land vieler Kulturen und Zivilisationen. Es ist von alters her ein Durchgangsland für den Handel zwischen Indien und China mit seinen vielfältigen und bunten Bevölkerungen. Die Einwohner Nepals haben daher gelernt tolerant zu sein. Und diese Großzügigkeit erweisen sie gerne ihren Gästen. Solange diese Gastfreundschaft nicht überstrapaziert wird, wird dort jede Reise zum Erlebnis.

Vermeidung von Konflikten

  • Nepal ist kein Freizeit- oder Abenteuerpark oder gar ein Museum, errichtet zur Erbauung seiner fremden Besucher. Es lebt und atmet! Seine kulturellen Stätten haben eine lange Tradition und sind Teil des Glaubens und der Überzeugung der Bewohner.
  • Das Leben in Nepal ist für viele extrem schwer. Leprakranke, verarmte Familien und leider auch gescheiterte Existenzen gehören zum täglichen Straßenbild, vor allen Dingen in Kathmandu. Vermeiden Sie daher bitte, mit unserem westlichen Reichtum zu protzen – und bitte bedenken Sie, daß hier der Begriff „protzen“ eine andere Dimension hat. Selbst vermeintlich geringe Summen erscheinen hier in einem anderen Licht . Daher empfiehlt es sich keine prall gefüllten Geldbeutel zu zeigen, aber auch keine ungerechtfertigten Trinkgelder zu geben, welche die sonst so harte Arbeit abwerten und Neid und Mißgunst erzeugen helfen.

Kleidung

  • Schuhe sind vor dem Betreten eines nepalesischen Hauses immer auszuziehen. Die Kleidung sollte angemessen und sauber sein. Schließlich gehören Sie den Privilegierten dieser Welt an.
  • Zerrissene Jeans mögen bei uns cool sein, aber sie erzeugen leicht das Bild vom berühmten „Großkotz“. Understatements versteht man hier nicht.
  • Für Frauen und Männer gilt gleichermaßen, daß die Kleidung nicht zuviel Haut zeigen sollte. Nacktheit wird nicht akzeptiert. In großer Höhe stellt sich diese Frage zum Glück meist nicht…

Benehmen

  • Es ist verpönt, öffentlich Zuneigung zu zeigen! Der Gesichtsverlust ist enorm.
  • Das Gesicht ist dem Asiaten extrem wichtig. Daher ist schreien oder lautes Streiten im normalen Leben der Ausdruck des völligen Verlustes von Integrität. Bleiben Sie daher ruhig und gelassen, wenn auch eine Lage einmal „verzwickt“ erscheinen mag.
  • Berührungen sind äußerst selten. Selbst das Händeschütteln ist nur eine akzeptierte „westliche“ Form der Begrüßung.
  • Die Füße gelten als schmutzig. Daher vermeiden Sie es am besten, damit auf Dinge oder gar Personen zu zeigen oder diese zu berühren.
  • Der Kopf ist der am höchsten angesehene Teil des Körpers. Kinder bitte nicht am Kopf anfassen!
  • Die Frage nach Kasten kann nicht gestellt werden (bitte bedenken Sie: die Nähe zu Indien wirkt sich hier sehr stark aus). Hinduistische Nepali sind der Meinung, daß uns das nichts angeht!
  • Nepalesen wollen keine negativen Antworten geben. Sie vermeiden es allerdings auch überhaupt keine Antwort zu geben, denn das wäre unhöflich. Daher kann es manchmal zu Mißverständnissen kommen, da trotz Unwissenheit eine Antwort gegeben wurde, um Ihnen(!) Unannehmlichkeiten durch Gesichtsverlust zu ersparen.
  • So schwer es fällt: ermutigen Sie keine bettelnden Kinder durch großzügige Gaben. Deren Situation wird hierdurch noch verschlimmert. Wenn Sie helfen wollen, dann gibt es eine Vielzahl karitativer Einrichtungen (z.B. die Hillary-Schulen), die Ihre Spende bestens anlegen. Statt Geld bieten sich nützliche Kleinigkeiten wie Kugelschreibern oder ähnliches an.

Tempelbesuch

Immer im Uhrzeigersinn um den Tempel gehen. Vor dem Betreten: Schuhe aus! Außerdem erfragen Sie bitte, ob ein Besuch überhaupt gestattet ist. Viele Hindu Heiligtümer dulden keine westlichen Besucher.
Es ist Sitte, dem Tempelpriester oder Abt einen weißen Schal zu schenken. Diese leichten Seiden- oder Gazeschals können in tibetischen Läden für wenige Cent erstanden werden.

Besuch bei einer nepalesischen Familie

Sollten Sie das Glück und die Gelegenheit haben, eine Familie besuchen zu können, beachten Sie bitte folgendes:

  • Feuer ist heilig. Daher verbrennen Sie darin bitte keinen Abfall. Dies gilt besonders in Küchen. Ausnahme: Es ist akzeptiert, beim Trekking die Reste zu verbrennen.
  • Vermeiden Sie es, Speisen zu verunreinigen, indem Sie diese mit bereits gebrauchtem Besteck berühren (dies gilt bereits für Ihre eigene Gabel)!

Fotos

Bitte immer Fragen! Manchmal kann man die Erlaubnis mit einer kleinen Spende erreichen. Aber: drängen Sie niemandem Ihr Geld auf!

Es ist gilt als ausgesprochen unhöflich, versprochene Bilder nicht zu schicken. Ihr Ehrenwort oder Versprechen müssen Sie halten.

Nachwort

Bitte bedenken Sie eines besonders gründlich: auch wenn Ihnen die Kultur des Landes völlig gleichgültig sein sollte, so kommen doch nach Ihnen jedes Jahr aufs Neue zahlreiche Touristen ins Land. Und die finden nicht nur Ihren Abfall und Unrat vor, sondern vor allen Dingen auch Einheimische, deren Achtung vor dem westlichen Menschen von vorherigen Auftritten geprägt wurde.

In diesem Sinne, eine wundervolle Zeit in einem wundervollen Land!